So starteten wir Anfang 2020 den Aufruf zu dem neu ins Leben gerufenen Programm ingenium, über das ich an dieser Stelle informieren möchte.
Zunächst möchte ich die Philosophie und die Idee darstellen. Wir haben uns von einem klassischen Talentmanagement verabschiedet und es neu gedacht. Zur Gegenüberstellung soll die Tabelle dienen:
Annahme über Zielposition
Zielposition/-ebene und die dort notwendigen Kompetenzen sind (eher) stabil.
Zielposition/-ebene sind instabil (bewegliche Ziele), aber es gibt stabile Klasse von (Führungs-)Situationen
Entwicklungsmodell
Kompetenzmodell
Situationsmodell
Entwicklung
Vorbereitung auf die Übernahme von Verantwortung durch Training und Reflexion des Trainings.
Erproben der aktiven Übernahme von Verantwortung und Reflexion der Erfahrung.
Vernetzung
Vernetzung durch Elitebildung (Talentpool)
selbständige Vernetzung im Unternehmen (Reflexionsgruppen)
Planungsmodell der Entwicklung
klassisch (Wasserfall)
agil
Steuerung der Entwickung
vordefiniertes Programm, ggf. individuelles Coaching
agile Prozesssteuerung: kurzfristige Zyklen und Retrospektiven
Nebeneffekte
fördert Status- und Konsumorientierung
fördert die Reflexion der eigenen Entscheidungen; verändert den Blick auf Autorität der Führungskräfte
Glaubenssätze
"Experten erklären mir, was ich später tun soll und zeigen mir Verhaltensweisen, die ich später (vielleicht) brauche."
"Die Situation ist mein Meister, ich bin ihr:e Schüler:in. Wenn ich Rat brauche, stehen mir Experten zur Verfügung."
Haltung Führungskraft
bewertend, erlaubend
ermutigend (neue Autorität)
Haltung Personal
helfend, Experten
einladen, ermutigend
Haltung Talent
umsetzend, übend, reflektierend
erprobend, steuernd, reflektierend
Bedeutung
Das Wort ingenium, was übersetzt so viel heißt wie „angeborene Begabung“, steht dabei für unsere Überzeugung, auf deren Basis wir das Programm entwickelt haben.
ingenium fördert die echte, praktische Verantwortungsübernahme, stellt Ressourcen zur Unterstützung bereit und wird intensiv begleitet. Talente werden zu Auftraggebern ihrer Entwicklung und der Ablauf wird nach agilen Prinzipien geplant.
Unsere Philosophie
Wir haben bewusst auf einen Nominierungsprozess verzichtet. Alle Mitarbeitenden gehen selbst auf die Suche und entscheiden, ob sie Talente sind oder sein wollen.
So ist es verpflichtend, dass alle, die in das Programm aufgenommen werden wollen, sowohl an einer Informationsveranstaltung als auch an dem gesamten Auswahlprozess teilnehmen:
Die Auswahl erfolgt letztendlich ausschließlich nach objektiven Kriterien. Wer nicht genommen wurde, darf das nicht als Ablehnung betrachten. Vielmehr sollte es Ansporn sein, sich aktiv über das laufende Programm zu informieren und für den nächsten Auswahlprozess erneut zu bewerben.
In dem Programm selbst setzen wir auf agiles Lernen durch echte Verantwortungsübernahme. Es werden sowohl die Module thematisch als auch inhaltlich selbstgesteuert definiert und vorbereitet.
Themen
Im Rahmen des Programms werden unter anderem behandelt:
Eckdaten
ingenium startet alle zwei Jahre mit zehn Teilnehmern. Die Dauer des Programms beläuft sich auf 18 Monate und die Teilnehmer werden ca. zwei bis drei Tage im Monat mit dem Programm beschäftigt sein. Die Weiterbildungsmaßnahmen finden überwiegend vor Ort und während der Arbeitszeit statt.
Zusammenfassung
Mit ingenium geben wir unseren Mitarbeitenden viele Freiräume zur Selbststeuerung, fordern aber auch Leistung durch Verantwortungsübernahme ein. Wir bieten eine echte Einladung zur persönlichen Weiterentwicklung. Diese darf man auch ablehnen, ohne dass es negative Konsequenzen, wie etwa Statusverlust, gibt. Das stellen wir durch die Informationsveranstaltungen und den Aufbau des Auswahlprozesses sicher (Interview anstatt Assessment-Center). Wer sich nach erhaltener Zusage für die Teilnahme am ingenium-Programm entscheidet ist dann aber gefordert, sich hier engagiert einzubringen.
Unseren Führungskräften bieten wir an, Ihre Haltung weiterzuentwickeln. Statt sich auf die Beurteilungs- und Benennungsrituale zu konzentrieren, können sie unterstützende Ermutiger für die Talente werden.
Matthias Mühle
ingenium-Programmleiter